digitale re:publik oder Orthodoxie einer neuen Kulturtechnik?

Nach einigen wirklich interessanten Tagen in Berlin bin ich nach Wien zurückgekehrt und möchte nun ein kurzes (natürlich subjektives) Blog-Resümee ziehen.

re:publica XI

Die re:publica war, wie erwartet sehr voll. Das Thema „Blogs, soziale Medien und die digitale Gesellschaft“ war breit und für viele verschiedene Facetten und Perspektiven geeignet. Aufgrund der enormen Besucherzahl und der Breite der Themen hatte man oft das Gefühl, dass man gerade jetzt die einzige interessante Session versäumt, die nebenan im anderen Raum stattfindet. Für die externen Öffentlichkeiten blieb von dem einzigartigen Kongress wohl einzig Sascha Lobos „Trollforschungsvortrag“ über, sogar die ARD hat darüber berichtet.

„Euren Fachblog versteht niemand, außer den 12 Menschen, die ihn kommentieren“

 

Doch die re:publica war mehr: Das umfangreiche Programm hatte als einen der Schwerpunkte Politik, sozialer Wandel und Social Media – eine ganze Serie von Vorträgen zum Thema (twitter)-Revolution in Nordafrika (und China?) zeigte auf, wie sehr sich Menschen noch zu Gunsten anderer einsetzen. Doch die Qualität der Sessions – nicht nur zum Thema Revolution – war durchaus unterschiedlich.

Literacy?

Ein weiterer Schwerpunkt, war das Thema Medienkompetenz, zu dem ich den Vortrag „Web-Literacy“ von Heinz Wittenbrink und Julian Ausserhofer aus Graz, die Ihr Modell dazu präsentiert und zur Diskussion gestellt haben. Basierend auf einem dreiperspektivischem Modell aus der IT-Softwaremodellierung versuchen die Kommunikationswissenschafter der FH Joanneum in Graz die Literacy anhand der drei Perspektiven Information zu organisieren (1), Texte und Medien zu produzieren (2) und sich zu vernetzen (3) zu modellieren. Der Forschungsansatz möchte anhand ethnomethodologischer Methoden aufzeigen, welche alltagspraktischen Handlungen von AkteurInnen die soziale Wirklichkeit im Web generieren. Ein interessanter Ansatz, den ich gerne weiter beobachten werde, wenngleich mir persönlich die interaktionistische Mikroebene der Kommunikation weniger wichtig scheint, als die Makroebene des Sozialen.

Eine Art „Interview“ mit Constanze Kurz (wegen der Erkrankung ihres Coautors) zu Ihrem Buch „Die Datenfresser“ war interessant, wenn auch nicht besonders unterhaltsam. Das jüngst erschienene Buch der Sicherheitsexperten soll die „digitale Mündigkeit“ der BürgerInnen  fördern und aufzeigen, wie große Unternehmen mit Daten umgehen.

Elder Blogsmen

Auch ein Panel von vier alternden BloggerInnen (Don Dahlmann, Felix Schwenzel, Jörg Kantel und Anke Gröner) – und ich meine den Begriff „alternd“ nicht negativ, denn das war wohl die Creme de la Creme der (mir unbekannten) deutschen Blogosphäre –  am letzten Tag fand ich persönlich sehr interessant. Diese Gesprächsrunde war auch sehr kurzweilig und unterhaltsam, ohne dass einzelne PanelistInnen ihr überentwickeltes Ego präsentierten. Die Location, der Friedrichstadtpalast und die Kalkscheune in Berlin-Mitte waren für einen derartig großen Kongress eher ungeeignet, gerade in der Kalkscheune habe ich einige interessante Workshops versäumt, weil schlichtweg kein Platz war.

Insgesamt eine interessante Veranstaltung, die vermittelt hat, wie stark das Thema Social Media bereits Teil der Deutschsprachigen Alltagskultur wurde. Die Orthodoxie dieser Kulturtechnik, jene BloggerInnen, die die digitale soziale Realität gestalten – „zumindest in Ihren beschränkten Kreisen“, würde Lobo sagen – diese Orthodoxie traf sich in Berlin, um sich gegenseitig zu zeigen, wer dazu gehört.

 

Anhang

Ein Kommentar

  1. Hallo Gerald, vielen Dank für den kurz(weilig)en Einblick in die re:publica. Ich konnte dieses Jahr (wieder) nicht zeigen, dass ich dazu gehöre, weil ich schlicht die Earlybird-Phase verpasst habe 🙁

    Mit Blick auf die von uns umrissene Social Media Szene (PDF) halte ich deine abschließende Bemerkung aber für einen wichtigen Pluspunkt der re:publica. Sie ist das etablierte Event der — wenn man die Terminologie einfach mal so erweitern will — „Web 2.0 Szene. Mit allen Skurrilitäten, die eben dazu gehören (sprich: Sascha Lobo)

    Ich freue mich schon auf deinen Rückblick auf die re:campaign!

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