Physikalische Segregation oder zweiter Hauptsatz der Sozialdynamik?

Gerne verwenden technisch oder physikalisch ausgebildete Menschen Sozialsysteme mit ihren physikalischen Theorien. Oftmals kommt dabei natürlich auch die Thermodynamik ins Spiel, insbesondere deren zweiter Hauptsatz, nach dem „In einem geschlossenen adiabaten System die Entropie nicht geringer werden [kann]“ (Quelle: Wikipedia.org). Grundlage dieser Annahme, die als „Erfahrungstatsache“ bezeichnet wird, ist dass die Entropie als Maß der Unordnung eines Systems ohne äußere Einflüsse immer zunimmt, ein System also ohne Einfluss von außen chaotischer und stochastischer wird. Für den Bereich von (idealen) Gasen kann man derartige Phänomene ja gut beobachten.

Sozialingenieure, und das wäre wohl die freundlichste Bezeichnung, versuchen nun, diese Theorien auch als Erkenntnisgrundlage für soziale Phänomene zu verwenden. Ersetzen wir die stochastische physikalische Realität (im Bereich der „klassischen“ Physik) durch das zufällig verteilte Einkommen/Vermögen, so wird die soziale „Errungenschaft“ der Segregation zum Sieg der Gesellschaft über die Natur. Gängige neoliberale Utilitaristen ergänzen diese Perspektive dann noch durch die Individualisierung des sozialen.

Verknüpft man dieses „physikalische Weltbild“ – so hieß übrigens vor rund 25 Jahren ein Freigegenstand an meiner HTL – mit einem in Österreich durchaus als politisch korrekt geltendem Kick an Sozialdarvinismus, so erhält man eine in sich schlüssige Begründung, warum Segregation, also soziale Ungleichbehandlung und damit einhergehend manifeste Benachteiligung verschiedener gesellschaftlicher Schichten gut und wichtig ist, um die gesellschaftliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Diese innere Schlüssigkeit der Ideologie, des grundlegend falschen Systems ist wohl eines der Probleme, warum wir in Österreich keinerlei Verteilungsdiskussionen oder Armutsdiskussionen auf breiter politischer Basis zu führen imstande sind.

Thema Armut und Verteilung:

Theoriebackground zum Thema

Ein Kommentar

  1. Der Technologisierung — wenn man das so nennen kann — der Sozialwissenschaften stehe ich sehr skeptisch gegenüber. Allenortens wird versucht empirische Ereignisse in der sozialen Welt mit „harten Fankten“ zu erklären. Du nennst hier eine schöne Blüte … Eine Andere ist die Hirnforschung und der Blödsinn vom „Gewaltgen“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu. Datenschutzerklärung