Direkte Vergabe von Rettungsdienstleistungen an Freiwilligenorganisationen sind möglich – Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union

Mit der letzten Novelle des Vergaberechts und der Konzessionsrichtlinie, wurde durch die Europäische Union bereits eine Lanze für den gemeinnützigen Rettungsdienst gebrochen. Öffentliche Auftragsvergabe und Wettbewerb sorgen zwar grundsätzlich für mehr Transparenz und Wirtschaftlichkeit, dennoch ist nicht jede Dienstleistung für die Wettbewerbsmechanismen geeignet. Das trifft vor allem dort zu, wo es um Leistungen der Daseinsvorsorge geht. Daseinsvorsorge ist eine öffentliche Aufgabe, die entweder durch die öffentliche Hand selbst erbracht, an private Auftragnehmer vergeben oder – wie in Österreich seit langem praktiziert – von gemeinnützigen Organisationen erbracht wird. Durch die Bereichsausnahme für den Rettungsdienst in den Vergabe- und Konzessionsrichtlinie, wurde der besonderen Stellung der Gemeinnützigkeit dadurch Rechnung getragen. Dieser Schritt war bereits ein klares Bekenntnis zur Trendumkehr.
Unabhängig davon bestätigte der Europäische Gerichtshof die Rechtmäßigkeit von Direktvergaben an Freiwilligenorganisationen. Im Jahr 2010 wurde in der Region Ligurien (Italien) ein Vertrag über Rettungsdienstleistungen (im Originalwortlaut: dringende Krankentransporte und Notfallkrankentransporte) mit Freiwilligenorganisationen abgeschlossen. Es wurde keine Ausschreibung durchgeführt und so kam es zu einer gerichtlichen Prüfung sowie einer Aufforderung den Vertrag für nichtig zu erklären. Die zuständige Instanz (Consiglio di State, Staatsrat) fragte beim Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung an, ob die unionsrechtlichen Vorschriften eine solche Direktvergabe überhaupt zulassen.
Der Europäische Gerichtshof kam – mit dem Urteil (Aktenzahl C-113/13) vom 11. Dezember 2014 – zu dem Ergebnis, dass eine Direktvergabe von Rettungsdienstleistungen an Freiwilligenorganisationen sehr wohl möglich ist. Eine generelle Direktvergabe ist aufgrund der geltenden Vorschriften eigentlich nicht zulässig, da dies den umfassenden Wettbewerb behindert. Es wurde aber festgestellt, dass die Mitgliedsstaaten über Befugnisse zur Ausgestaltung ihres Gesundheitssystems sowie der sozialen Sicherheit verfügen und diese vom Unionsrecht unberührt bleiben. Unter diesem Aspekt kann ein Mitgliedsstaat auf private (Freiwilligen-)Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht zurückgreifen und ein Vergabe ohne Ausschreibung durchführen. Zu beachten gilt dabei jedoch: Die Organisationen dürfen erwerbstätige MitarbeiterInnen nur in einem Maße einsetzen, um einen geregelten Betrieb aufrecht zu erhalten und die nationalen Rechtsvorschriften dürfen keine missbräuchlichen Praktiken decken.
In einer Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs ist folgendes Statement zu lesen:

Aus diesen Gründen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass der AEU-Vertrag eine nationale Regelung zulässt, nach der die Erbringung von Krankentransportdiensten vorrangig und im Wege der Direktvergabe ohne jegliche Bekanntmachung an die unter Vertrag genommenen Freiwilligenorganisationen vergeben wird, soweit der rechtliche und vertragliche Rahmen tatsächlich zu dem sozialen Zweck und zu den Zielen der Solidarität und der Haushaltseffizienz beiträgt.

Fazit: Das Urteil führt zwar zu keiner pauschalen Entbindung vom Vergaberecht, da die Ausnahmevoraussetzungen zu jeder Direktvergabe zu prüfen sind. Es räumt aber den öffentlichen Auftraggebern einen wesentlich breiteren Spielraum ein, um direkt mit Freiwilligenorganisationen zusammenarbeiten zu können. Das Urteil unterstreicht die sich abzeichnende Trendwende zusätzlich, zumal es sich auf einen Vertrag von 2010 bezieht, wo das Vergaberecht noch wesentlich restriktiver war. Hinsichtlich Haushaltseffizienz, sozialem Zweck und Solidarität ist das freiwillige Rettungswesen in Österreich sicher ein Vorzeigemodell.