Die strickenden Männer von Bombota Haru

Ein Blogbeitrag unseres Delegierten Klaus Palkovits aus Äthiopien.

Nach dem erfolgreichen Abschluss des Wasser und Hygiene Projekts in der Gemeinde Kebete, ca.  250 km suedlich von Addis Abeba Anfang 2013, starten Österreichisches und Äthiopisches Rotes Kreuz, finanziert von ADA und NiN, zur Zeit das Folgeprojekt in der Nachbargemeinde Bombota Haru. Dabei werden in den naechsten 2,5 Jahren bis zu 7.000 Menschen mit Wasserstellen, Latrinen, Hygiene- und Basisgesundheitsprogrammen unterstuetzt. Die Gegend liegt auf ca. 2400 m Seehoehe und die Menschen beschaeftigen sich fast ausschliesslich mit Subsistenzlandwirtschaft. Die Ertraege reichen dabei gerade fuer’s taegliche Ueberleben in traditionellen Lehmhuetten – wenn alles gut geht.

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Wasser wird fast ausschliesslich aus selbst gegrabenen Wasserloechern oder von Oberflaechenrinnsalen geholt, die zumeist eine braeunliche Bruehe enthalten und auch gleichzeitig zum Waschen und als Tiertraenke dienen. Latrinen sind hier weitgehend nicht vorhanden. Aufgrund der steigenden Bevoelkerungsdichte, mangelndem hygienischen Verstaendnis sowie der Praxis seine Notdurft , in Ermangelung anderer Alternativen, einfach im Freien zu verrichten, leiden viele Mitglieder der Gemeinde regelmaessig unter Durchfallerkrankungen, Parasiten und anderen Wasser und Nahrungs bezogenen Krankheiten. Vor allem bei Kindern, Kranken und aelteren Menschen verlaufen diese Erkrankungen oft sehr schwer und fuehren nicht selten zum Tod.

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Mein Kollegin Lisa und ich sind gekommen, um die Mitarbeiter der lokalen Rotkreuzstelle, Ato (Eth fuer Herr) Abiyot und Ato Buseri beim Aufsetzen des Projektes zu beraten und zu unterstuetzen. Beide haben auch schon beim vorhergehenden Projekt in der Nachbargemeinde mitgearbeitet und sind Experten in den Bereichen Gesundheits- und Hygieneerziehung sowie Erste Hilfe. Waehrend unseres Besuchs im Projektgebiet haben wir die Gelegenheit an der konstituierenden Sitzung der Wasser- und Gesundheitskomitees der Gemeinde teilzunehmen. Die Mitglieder des Wasserkomitees werden in weiterer Folge die Verantwortung fuer Wartung und Pflege der geplanten Wasserstellen uebernehmen, waehrend die Mitglieder des Gesundheitskomitees die anderen Gemeindemitglieder in regelmaessigen Treffen ueber die Auswirkungen mangelnder Koerperhygiene und Sauberkeit im Wohngebiet aufklaeren und regelmaessig erinnern werden. Alle Komiteemitglieder werden zu diesem Zwecke in den naechsten Monaten von den Mitarbeitern des Eth. RK umfassend ausgebildet, in ihre Verantwortung eingefuehrt und koennen langfristig auf die Unterstuetzung und das Mentoring der lokalen Rotkreuzstelle zurueckgreifen. Dadurch wird die langfristige Nachhaltigkeit der vom Roten Kreuz initiierten Projekte gesichert.

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Ausgiebig diskutieren die ca. 60 anwesenden Repraesentanten der Gemeinde, wer von ihnen am besten fuer die anstehenden Aufgaben geeignet waere, wobei bei den Wasserkomitees durchaus technisches und finanziell/organisatorisches Verstaendnis gefragt ist (schliesslich koennen die Brunnen langfristig nur erhalten werden, wenn die Gemeinde ueber die Einhebung von Nutzungsgebuehren die Wartung und Ersatzteilbeschaffung fuer Pumpen etc. wahrnimmt und Reparaturabeiten selber durchfuehren kann), waehrend bei der Vermittlung von Gesundheits- und Hygienethemen mehr die soziale Kompetenz, Einfuehlsamkeit und Engagement der „Lehrenden“ gefragt sind. Wichtig ist uns dabei vor allem auch, dass sowohl Maenner wie Frauen als auch Repraesentanten von Gruppen mit besonderen Beduerfnissen (z.B. alte oder behinderte Mitglieder der Gemeinde) gleichermassen repraesentiert sind. Das macht die Sache in einer patriarchalisch organisierten, muslimischen Gemeinde nicht gerade einfacher.

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Waehrend also unter der Moderation unserer Kollegen vom Eth. RK intensiv und teils lautstark diskutiert wird und zumeist die anwesenden Maenner das „grosse Wort“ fuehren, faellt mir auf, dass etliche der Herren, ob jung oder alt, mittlerweile ihr Strickzeug ausgepackt haben und fleissig am werken sind. Ich glaubte erst, meinen Augen nicht zu trauen. Als ich Lisa darauf anspreche, werde ich mit einem Schmunzeln korrigiert, es handelt sich naemlich bei der so eifrig und konzentriert ausgefuehrten Taetigkeit um Haekeln, das in der Gegend tatsaechlich ausschliesslich von Maennern gemacht wird. Die 3 Herren auf dem Photo oben links in der letzten Reihe sind ein schones Beispiel. Aeusserst geschickt haekeln sie aus 3 Faeden mit Hilfe einer Sicherheitsnadel die ebenfalls auf dem Photo zu sehenden traditionellen weissen Kaeppchen.

Stunden spaeter, in der Zwischenzeit sind alle Positionen zur Zufriedenheit der Mehrheit der Anwsenden vergeben, fahren wir im einsetzenden Regen in der Daemmerung zurueck in die Bezirkshauptstadt Shashemene (Rastafarihochburg Aethiopiens, aber das ist eine andere Geschichte, die den Rahmen hier jetzt sprengen wuerde – fuer Interessierte – Wikipedia weiss mehr) zurueck, wo wir uebernachten. Als wir ankommen hat es stark abgekuehlt und wir brauchen unsere warmen Jacken. Irgendwie gehen mir die strickenden – pardon – haekelnden Maenner von Bombota Haru nicht aus dem Kopf und irgendwie freue ich mich, wie Menschen anderer Kulturen mich immer wieder ueberraschen und meine Erwartungen oder Vorstellungen ueber den Haufen hauen.

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